Die tägliche Prise Abenteuer: der ägyptische Verkehr

Montag, 17. August 2015

Liebe Freunde,

Am Straßenverkehr wird der Unterschied zwischen der deutschen und der ägyptischen Mentalität deutlich. Während den Deutschen auf der Straße der direkte Kontakt zu anderen Verkehrsteilnehmern verwehrt bleibt, weil die Straßenverkehrsordnung alles mit Schildern und Paragrafen regelt, können die Ägypter von Fall zu Fall entscheiden, nachdem sie über die Hupe mit den anderen Fahrern kommuniziert haben: Überhole ich rechts oder links? Können auf der fünf Meter breiten Teerpiste nicht auch drei Autos nebeneinander fahren? Soll ich auf der Schnellstraße einen Maiskolben von der Garküche auf dem Mittelstreifen entgegennehmen? So könnte das ein Ägypter sehen. An meinen ersten Tagen kam mir der Verkehr und Ägypten insgesamt wie das reine Chaos vor. Dass die Regellosigkeit und Lockerheit hier überall - von der Organisation meines Tagesprogramms bis zum Straßenverkehr - die Menschen auf das Gegenüber verweist, weil man nicht auf einen Paragrafen pochen kann, ist mir erst später aufgefallen. So kommt mir das Leben hier menschlicher und spontaner vor. Und der Straßenverkehr scheint auch zu funktionieren: Bisher habe ich noch keinen Unfall gesehen, obwohl wir fast jeden Tag etwa drei Stunden auf den Straßen unterwegs sind.

typische Straßenszene in Ägypten: weil es keine Ampeln, Zebrastreifen oder Gehwege gibt, teilen sich die Fahrzeuge die unmarkierte Teerpiste mit den Fußgängern


Die Regellosigkeit im Verkehr führt dazu, dass ich mich nach jeder Fahrt wieder über festen Boden unter den Füßen freue. Nach und nach konnte ich vom Esel bis zum Taxi fast alle ägyptischen Fortbewegungsmittel ausprobieren. Von einigen Fahrten habe ich Videos gemacht.


Neue Autos können sich hier nur wenige leisten. Die meisten Gefährte sind Museumsstücke und von unbekannten Marken. Stolze Neuwagenbesitzer nutzen die Klimaanlage gerne, um hier in der Wüste arktische Temperaturen herzustellen. So habe ich mir vor zwei Wochen auf der Fahrt vom JRJ-Camp nach Alexandria eine kleine Erkältung geholt. Der größte Vorteil an Autos ist der Sicherheitsgurt, den man überall anders sehnlich vermisst.




Die wohl beliebtesten Transportmittel für kürzere Strecken sind hier die äußerst preiswerten Taxis. Für ungefähr drei Kilometer zahlt man umgerechnet nicht mehr als 80 Cent. Die Fahrer sind erfahren im ägyptischen Verkehr, führen deshalb so manch gewagtes Manöver durch und haben immer eine Hand auf der Hupe.




In größeren Dörfern und Vorstädten übernehmen Tuk-Tuks, mit einer Couch ausgestattete motorisierte Dreiräder, die Rolle der Taxis:



Zu den abenteuerlichsten ägyptischen Transportmitteln gehören Pickups, auf deren Ladeflächen die Passagiere hocken. Wer auf der spartanischen Bank keinen Platz mehr findet, muss mit dem Dach der Fahrerkabine oder dem Trittbrett hinten vorlieb nehmen. So leer wie auf diesem Video ist mir selten ein Pickup begegnet:



Eine komfortablere Möglichkeit für längere Fahrten ist der Mikrobus. Hier hat jeder einen Sitzplatz, auf dem man sich den Fahrtwind um den Kopf wehen lassen kann, bis alle Plätze besetzt sind. Die Tür bleibt nämlich bis dahin offen.


Der Minibus trägt seinen Namen zurecht. Wenn mehr als auf diesem Bild los ist, wird die Sitzritze vorne zum Sitzplatz umfunktioniert. Aus dieser Position ist das nächste Video aufgenommen worden.


Nur den Verkehr zu bewältigen, wäre zu langweilig für die hiesigen Fahrer. Bei den Nebenbeschäftigungen steht das Handy hoch im Kurs. Oft kommt dazu noch das Kassieren des Fahrpreises mitsamt Geldwechsel und Feilschen. Wenn ich in einem Fahrzeug nach der Erlaubnis zum Filmen frage, werde ich oft aufgefordert, auch die Fahrer aufzunehmen. Dem bin ich hier nachgekommen:



Eines der angenehmsten Fortbewegungsmittel für lange Strecken ist der Reisebus. Weil es dort meistens keine Klimaanlage gibt, lässt man das Fenster für frische Luft und manchmal auch Lunchpakete offen.



Auch Tiere werden hier oft zum Transport benutzt. In den Städten sind es vor allem Pferde und in den Dörfern Esel, die Personen, Waren und manchmal auch beides gleichzeitig transportieren.






Bei den ägyptischen Verkehrsteilnehmern darf man die zahlreichen Verkäufer von Früchten, Tee, Maiskolben, Garspeisen, Luftballons und vielem anderen nicht vergessen. Denn die mobilen Läden nehmen wirklich am Verkehr teil, wenn sie sich gegenseitig in der Kundennähe übertreffen wollen.



Beim Warentransport werden die Kapazitäten ausgenutzt:



Auch auf einem Motorrad durfte ich schon mitfahren. Davon gibt es leider keinen Videobeweis, weil ich währenddessen mit Festklammern beschäftigt war. Das letzte Transportmittel, das noch fehlt, ist der Zug. Nächste Woche wird sich das ändern, wenn wir von Alexandria nach Luxor fahren werden.




Euer Flo

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